Kreuzfahrten boomen: Nicht nur die Nachfrage nach Schiffen mit vielen Unterhal­tungsangeboten an Bord steigt. Auch kleine Expeditionsschiffe, die abseits der traditionellen Routen viel entlegenere Regionen ansteuern. Bis 2021 erhält Hapag-Loyd Cruises drei neue Expeditionsschiffe zusätzlich zur BREMEN. Mit ihr sind wir in die Arktis gereist.

Schlafnasen. Die Seeelefanten Südgeorgiens sind die größten Robben der Welt – bis zu sechs Meter lang und vier Tonnen schwer.

Eine raue Küste. Schwer liegen Wolken auf den Bergen. Von Schnee bedeckt. Ein Gletscher schiebt sich in eine weite Ebene. Tussockgras-Hügel. Und abertausende Pinguine. Ihr Gekreisch erfüllt die Luft. Ihr Geruch ebenfalls. Das Zodiac braust auf eine provisorische Anlegestelle zu. Augen tränen vom Fahrtwind. Es ist kalt. Drei Grad Celsius. Ein typischer Sommertag auf Südgeorgien. Crew-Mitglieder helfen uns an Land, zwei, drei Schritte in Gummistiefeln durch eisiges Wasser. Wir erreichen die Salisbury Plain, umgeben von tausenden von Tieren. Tief einatmen. Willkommen in der „Serengeti des Südens“.

250.000 Königspinguine nisten hier. Ohne Scheu und mit unverhohlener Neugier trippeln einige an uns vorbei. Eine Gruppe von Experten begleitet die Reise und verweist auf Besonderheiten: „Die Pinguine, die wie braune Kaffeekannenwärmer aussehen, sind Jungtiere – noch in der Mauser.“ Man erinnert uns, den Respektsabstand von fünf Metern zu wahren. Gar nicht so leicht. Eine Babypelzrobbe robbt auf uns zu. Untertassengroße Augen sehen uns an. Einer der fast fünf Meter langen Seeelefanten hebt einen Kopf voller Narben. Ein Schnauben. Dann döst er weiter. Die Antarktis macht etwas mit uns – noch bevor wir sie erreicht haben.

Südgeorgien liegt zwischen der Südspitze Südamerikas und der Nordspitze der antarktischen Halbinsel im sturmzerblasenen Seegebiet der Furious Fifties. Die Inselgruppe gehört zu den Etappen einer Expeditionskreuzfahrt ins ewige Eis wie Drakepassage, die Falklands, die Südsandwichinseln oder Grahamland. Der Kontinent Antarktika ist etwa ein Drittel größer als Europa. Wir sehen davon nur ein Stück. Als würde eine Kreuzfahrt nach Europa zu den Liparischen Inseln und nach Kalabrien führen. Eine unfassbare Weite liegt vor uns. Es gibt kaum einen Ort auf dieser Erde, an dem man so allein sein kann.

Mehr Nachfrage als Schiffe

Diese Welt fasziniert immer mehr Menschen. Zählte man von November 2012 bis Februar 2013 noch 30.000 Besucher, waren es in der vergangenen Antarktis-Saison knapp 50.000. Im Jahr 2019 werden zehn neue Expeditionsschiffe in Dienst gestellt. Und auch die Flotte von Hapag-Lloyd Cruises erhält Zuwachs: HANSEATIC nature wird im April in Hamburg getauft, HANSEATIC inspiration im Oktober in Antwerpen, 2021 kommt HANSEATIC spirit. Die drei neuen Schiffe nehmen den Platz der HANSEATIC ein. Sie hat die Flotte im Oktober 2018 verlassen – nach 25 Jahren Expedition in 148 Länder, mit 128 Antarktis-Reisen und der ersten Durchfahrung der Nordostpassage eines nicht russischen Schiffs. 
Hapag-Lloyd Cruises hat die Expeditionskreuzfahrt geprägt. Und das Unternehmen sieht sich gut aufgestellt. „HANSEATIC nature, HANSEATIC inspiration und HANSEATIC spirit bedienen ein Bedürfnis, für das es momentan und auf absehbare Zeit eine größere Nachfrage gibt, als Schiffe im Markt verfügbar sind“, sagt Karl J. Pojer, Vorsitzender der Geschäftsführung. „Und Hapag-Lloyd Cruises kann auf eine herausragende Expertise setzen.“ 

Design, „inspired by nature“

Weltversteher. Die Ocean Academy der HANSEATIC nature.

Diese Erfahrung hat einen Namen: Isolde Susset. Sie leitet das Produktmanagement Expedition Cruises. Seit 1988 arbeitet die gebürtige Schwäbin beim Hamburger Traditionsunternehmen und kennt alle Schiffe. Mit ihrem Team verantwortet sie das Routing, wählt die Lektoren aus – und betreut die Neubauprojekte. Die Schiffe folgen dem Design-Konzept „inspired by nature“ – schwungvolle Linien, klare Formen, warme Farben. Susset sagt: „Wir wollen die Natur, die wir bereisen, auch an Bord holen.“

Zusätzlich verfügen die Neubauten über einige herausragende Ausstattungsmerkmale: am Heck eine Marina für Wassersportaktivitäten, am Bug eine neuartige Aussichtsplattform, über dem Pool ein Cabrio-Dach, seitlich herausfahrbare, gläserne Balkons. Welches ist Ihr Highlight, Frau Susset? „Der Rundumlauf am Bug. Das ist für mich Expedition pur, dass man da vorn stehen und diesen Blick genießen kann.“

Einmaliges Schauspiel. Die BREMEN trotzt mit verstärktem Rumpf dem Eis.

Gänsehautmomente im Eis

Inzwischen sind wir mit den Zodiacs zurück – und es zeigt sich eine weitere Eigenheit der Reise: Die Menschen an Bord eint das Erlebnis. Intensiv tauschen sie sich aus über besondere Momente. Der nächste folgt sogleich: Die BREMEN umrundet den ersten Tafeleisberg. Wir haben den Südpolarkreis erreicht. An Deck ist es kalt, in Wattebäuschen steht der Atem vor den Mündern. Die Kameras glühen. Ein Gänsehautmoment in vielerlei Hinsicht.

Dann ein weiterer aufregender Moment. Der Kapitän informiert über einen schweren Sturm, der über das Südpolarmeer fegt. Mit bis zu 14 Meter hohen Wellen im Zentrum. Es gibt nur eine Option: in einem großen Bogen umfahren. Einmal mehr wird klar: Expedition bedeutet Fachkompetenz. Die sensiblen und anspruchsvollen Regionen bieten keinen Spielraum für Experimente. Hier lernen wir erneut, die versierten Kapitäne von Hapag-Lloyd Cruises und die Crew an Bord wertzuschätzen.

Wir bekommen nur die Ausläufer des Sturms zu spüren und empfinden es als Glück, dass die Wellen kaum halb so hoch wie im Zentrum sind. Bald gehört auch das zu den besonderen Momenten dieser Reise: Zähne putzen bei Seegang, essen und trinken bei Seegang. Aneinander vorbeigehen bei Seegang, wenn man lachend aufeinander zuwankt. Man nimmt sich nicht so ernst – bei Seegang.

Ausflug mit „Deep Blue“

Weltwunder. Das Leben sprießt selbst an scheinbar unwirklichsten Orten.

Für Kreuzfahrten in sensible Gewässer gelten strenge Auflagen. Es darf kein Schweröl verwendet werden. Die Brücke führt penibel Buch über alle Verbrauchsmaterialien. Und das Wasser in den Ballasttanks muss antibakteriell behandelt werden. Umwelttechnisch sind die Schiffe der neuen Expeditionsklasse von Hapag-Lloyd Cruises auf dem neuesten Stand: Ein SCR-Katalysator reduziert den Stickoxid-Ausstoß um 90 Prozent, der strömungsoptimierte Rumpf den Kraftstoffverbrauch. Trinkwasser bereitet eine bordeigene Entsalzungsanlage auf und die Abwässer werden mit einer biologischen Kläranlage gereinigt. In den sensiblen Regionen wird ausschließlich schwefelarmer Treibstoff, Marine­­gasöl, verwendet. Eine Kooperation mit Atmosfair gibt jedem Gast die Möglichkeit, den eigenen CO2-Ausstoß zu kompensieren. Hapag-Lloyd Cruises unterstützt dies und übernimmt ein Viertel der Kosten.

Als aktives Mitglied der International Association of Antarctic Tour Operators (IAATO) hat Hapag-Lloyd Cruises an den Standards für Antarktis-Reisen mitgewirkt. Jede einzelne muss vorher vom Umweltbundesamt genehmigt werden. Die Auflagen besagen zum Beispiel, dass nur 100 Personen zeitgleich an Land sein dürfen. Deshalb nehmen die Schiffe der neuen Expeditionsklasse maximal 199 Gäste mit ins ewige Eis. In mehreren kleinen Gruppen gehen sie an Land.

Für die Zodiac-Anlandungen erhält man Leihparka und -gummistiefel und lernt den Artistengriff. Im Zirkus sichert er die fliegenden Helden am Trapez. Beim Ausstieg aus dem Schlauchboot dient er dem Übergang in eine neue Welt. Dabei setzen die Expeditionsschiffe von Hapag-Lloyd Cruises auf Zodiacs mit Elektroantrieb. Der mächtige Außenborder von Torqeedo heißt „Deep Blue“ und sorgt für ein völlig neues Fahrerlebnis – nur ein leises Summen ist zu hören. Wenn das Boot im Leerlauf treibt, wie bei Tierbeobachtungen üblich, schweigt „Deep Blue“.

Ein Vulkan voller Eis

Die BREMEN passiert weitere Tafeleisberge, über das Wasser weht die Kälte des nahen Kontinents. Einer der Experten, langjähriger Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut, hält einen Vortrag über die Forschungsstationen. Die meisten seien nur im Sommer besetzt. Im Winter zeige sich Antarktika unwirtlich wie ein ferner Planet – bei bis zu − 60 Grad Celsius und Stürmen von 300 Kilometern pro Stunde.

Plötzlich ruft jemand: „Wale! Wale! Unfassbar viele Wale!“ Wir sind umgeben von einer Schule Orcas. Mehr als hundert Tiere sicheln mit ihren Flossen durch das Wasser. Was für ein Anblick! Dann steuert die BREMEN Deception Island an. Es ist eigentlich keine Insel, sondern die eingestürzte Caldera eines Vulkans. An manchen Stellen dampft noch der Sand. Und doch bedeckt eine Eisschicht die See. Das in die höchste Eisklasse eingestufte Schiff bricht sich seinen Weg. Es klingt wie ein Schlagzeugsolo.

Das Pinguinparadox

Port Lockroy ist die bekannteste Station in der Antarktis. Florence arbeitet hier als Wissenschaftlerin. Ihr Job: Pinguine studieren, Besucher durch das Museum führen, Souvenirs verkaufen. Ist das nicht eine seltsame Tätigkeit für eine Wissenschaftlerin? Flo­rence lacht. Das nimmt sie in Kauf – für das Privileg, hier zu sein. In ihrer Forschungsarbeit geht es um die Bruterfolge der Pinguine. Zwei Kolonien werden beobachtet: eine nahe beim Museum, an dem im Sommer täglich Besucher vorbeikommen, die andere in einem abgesperrten Bereich. Verblüffenderweise ziehen die Pinguine beim Museum mehr Nachwuchs groß. Offenbar stören die Touristen nicht.

Zurück an Bord bleibt kaum Zeit für das Dinner. Gegen 21 Uhr erreichen wir den Lemaire-Kanal, eine etwa 13 Kilometer lange Meerenge, eingefasst von Gletschern und steil aufragenden Felswänden. Die Einfahrt markiert der charakteristische Doppelgipfel Kap Renard.  Langsam tastet sich die BREMEN in den Sund. Die Sonne taucht die Szene in goldenes Licht. Erneut wurde das Vordeck freigegeben. Andächtig stehen Gäste und Crew-Mitglieder Seite an Seite. Staunen. Fotografieren. Staunen. Ein Moment, an den wir uns alle noch lange erinnern werden.

Er bildet den Wendepunkt unserer Reise in die Antarktis. Gegen zwei Uhr nachts dreht die BREMEN. Das Wasser glitzert, Pinguine überholen das Schiff. Wir passieren Gletscher und Berge, die so hoch verschneit sind, dass man ihre Gestalt kaum erkennen kann. Schließlich lässt das Schiff die letzten vorgelagerten Inseln hinter sich. Noch eine Weile klopfen kleinere Eisbrocken gegen den Rumpf. Dann sind da nur noch die Wellen. Und die Weite. Die BREMEN zieht ihre Spur durch eine mild gestimmte Drake-Passage.

Die See ist ruhig. Der Horizont weit. Wir lehnen an der Reling, blicken zurück – und verstehen, warum es heißt: Es gibt ein Leben vor einer Reise in die Antarktis. Und ein Leben danach.

Springvögel. Eselspinguine gehören zu den schnellsten Schwimmern unter den Pinguinen. Sie fliegen förmlich durch das Wasser.
Weltreisende. Fotografin Susanne Baade und Autor Dirk Lehmann in Neko Harbour.