4. Juli 2023

Technologie und Konnektivität auf See

Wie unsere Tech-Teams zur Verwandlung der Mein Schiff Herz in die Marella Voyager beigetragen haben

Daniel Hanratty leitet das Technologieteam bei Marella Cruises & TUI River Cruises. Wir sprachen mit ihm via MS Teams, während er in seiner Kabine auf der Marella Voyager während der sogenannten „Shakedown Cruise“ arbeitet. Eine Shakedown Cruise ist etwas Besonderes. Denn zu dieser Reise lädt Marella Cruises die eigenen Kolleginnen und Kollegen ein, ihr neuestes Schiff kennenzulernen. Dabei haben sie die Aufgabe, jeden Aspekt des Schiffes zu testen, bevor die ersten Reisenden eintreffen – von den Kabinen über die Restaurants bis hin zum Pool und Fitnessraum. So durchlaufen die Betriebsabläufe und technischen Systeme des Schiffes einen Check unter Realbedingungen. In den sechs Wochen zuvor haben Daniel und sein Team auf dem Schiff gearbeitet und waren für die Umstellung der IT des Schiffes verantwortlich, so dass auch aus technologischer Perspektive die Transformation von der "Mein Schiff Herz" zur Marella Voyager gelingt. 

Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für ein Gespräch mit uns nehmen. Wann habt ihr mit der Arbeit an diesem Projekt begonnen?

Wir haben letztes Jahr mit dem Projekt begonnen, als das Schiff noch Mein Schiff Herz hieß. Wir sind an Bord gegangen, um uns die Technologie des Schiffes anzusehen und um zu wissen, welche Änderungen notwendig sein werden. Daraus haben wir einen Projektplan erstellt. Unser Ziel war es, das Schiff für den britischen Markt fit zu machen.

Was sind Ihrer Meinung nach aus technischer Sicht die größten Unterschiede zwischen dem vorherigen und dem neuen System?

Einer der größten Unterschiede war die Einführung der Marella Cruises Onboard-App und des Digital Signage-Systems. Wir haben auch Selbstbedienungskioske eingeführt, die über ein zentrales Content-System verbunden sind. Dazu mussten wir die Netzwerkinfrastruktur neu aufbauen, neue Kabel verlegen und eine neue Hardware installieren. Es musste sichergestellt werden, dass die Wi-Fi-Infrastruktur nicht nur die Bedürfnisse der Gäste erfüllt, sondern auch zusätzliche mobile Geräte, die in den Bars und Restaurants vom Service-Personal verwendet werden, angebunden sind und einwandfrei funktionieren. Die Infrastruktur soll die Angebote, für die Marella Cruises steht, ermöglichen.

Gibt es besondere Herausforderungen, wenn man ein Wi-Fi auf einem Schiff installieren muss?

Die größte Herausforderung ist die Bauweise des Schiffes. Es ist in sogenannte Brandabschnitte unterteilt, um im Falle eines Brandes oder einer Überschwemmung den Schaden zu begrenzen. Diese Struktur mit schweren Metalltüren und -wänden behindert das Wi-Fi-Signal. Anders als in einem typischen Bürogebäude mussten wir die Struktur des Schiffes berücksichtigen und Störungen minimieren. Um eine vollständige Abdeckung zu gewährleisten, haben wir 450 drahtlose Zugangspunkte an Bord in Betrieb genommen. Außerdem mussten wir sicherstellen, dass die installierten Wi-Fi-Systeme die auf der Brücke verwendeten Navigationssysteme des Schiffs nicht beeinträchtigen. 

Hatten Sie ein eigenes Team, das während des Projekts auf dem Schiff arbeitete?

Ja, mein Team kam Ende April zum Schiff im Trockendock. Wir haben dann die vorhandene technische Ausrüstung abgebaut und zwei Datenzentren in verschiedenen Bereichen des Schiffes eingebaut. Das war harte Arbeit – wir waren sechs Wochen lang sieben Tage die Woche, 14 Stunden am Tag auf dem Schiff im Einsatz. Das Team hatte in dieser Zeit keinen einzigen freien Tag. Denn schließlich wollten wir das Projekt pünktlich abschließen. Das war eine großartige Teamleistung, und ich könnte nicht stolzer auf jeden einzelnen von ihnen sein. 

Wie leistungsfähig sind die von Ihnen installierten Rechenzentren in Anbetracht der zu verarbeitenden Datenmenge?

Die Rechenzentren verarbeiten eine beträchtliche Menge an Daten, darunter Fahrgastinformationen, Buchungsdaten, Verkaufsdaten und die Codierung von Türschlössern. Um Robustheit und Redundanz zu gewährleisten, mussten wir sie entsprechend konzipieren. Der Verlust eines Servers in einem Büro ist problematisch, aber der Verlust eines Servers auf einem Schiff mitten auf dem Meer ist ein Alptraum.

Sie haben auch die Internetverbindung auf dem Schiff verbessert, als es zur Marella Voyager umgebaut wurde?

Auf jeden Fall. Zusätzlich zu unseren Standardsystemen haben wir auch vier Starlink-Antennen installiert. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Normalerweise liegen die Internetgeschwindigkeiten zwischen 6 und 10 MB pro Sekunde. Mit dieser neuen Technologie haben wir Geschwindigkeiten von bis zu 500 MB pro Sekunde erreicht.

Gibt es neben der verbesserten Geschwindigkeit noch andere Vorteile, die Starlink bietet?

Die Starlink-Antennen benötigen nur einen Bruchteil des Platzes im Vergleich zu einem herkömmlichen Satellitenterminal. Sie benötigen auch deutlich weniger Energie für den Betrieb. Ein herkömmliches Satellitensystem besteht aus einer Satellitenschüssel mit Motoren und Rotoren, um das GPS-Signal zu verfolgen. Im Gegensatz dazu gibt es bei Starlink keine beweglichen Teile und es ist keine allgemeine Wartung erforderlich. Dies ist ein wesentlicher Vorteil der Starlink-Technologie – und auch mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit wichtig.

Wie gestaltete sich während des Projekts die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen des Unternehmens und den Mitarbeitern an Bord?

Eine gute Zusammenarbeit war während des gesamten Projekts entscheidend. Wir haben eng mit unserem operativen Team zusammengearbeitet, insbesondere mit den Mitarbeitern der Werft. So konnten wir sicherzustellen, dass alles pünktlich fertig wurde. Als wir zum Beispiel bestimmte Kabel an Bord brauchten, war es nicht so einfach, sie von einem Ort zum anderen zu verlegen. Die Kabel mussten bestimmte Kriterien erfüllen, um auf dem Schiff verlegt werden zu dürfen, z. B. wasserdicht sein und vom Schiffsarchitekten im Hinblick auf Sicherheits- und Notfallaspekte geprüft werden. Außerdem mussten wir uns mit der Hafenbehörde für die Lieferung der Hardware abstimmen und uns um die Zollabfertigung im Hafen kümmern. Um die Ausrüstung an Bord zu bringen, waren Paletten und ein Kran erforderlich. Zusammengenommen war das ziemlich komplex. 

Zu dem Arbeitsprogramm gehörte auch die Umprogrammierung von 1100 Kabinenschlössern? Was hat es damit auf sich?  

Als wir das Schiffsmanagementsystem für Marella installiert hatten, bedeutete das auch, dass wir jedes der 1100 Kabinentürschlösser an Bord neu programmieren mussten. Dazu mussten wir jede einzelne Kabine mit einem Laptop und einer Schlüsselkarte besuchen, um sicherzustellen, dass sie mit unserem System interagiert. Die Programmierung jedes Kabinenschlosses dauerte etwa 5 Minuten. Ähnlich sah es übrigens aus, als wir unsere neue TV-Übertragungsanlage installierten. Da die Inhalte von TUI Cruises ursprünglich auf Deutsch waren, mussten wir unser Management-System auf Englisch installieren. Folglich mussten wir jede Kabine besuchen und die Fernseher neu einstellen, um sicherzustellen, dass sie die neuen Inhalte empfingen. Unser Kernteam von sechs Kollegen hat den gesamten Prozess gesteuert und war natürlich auch selbst in den Kabinen. Aber wir haben zum Beispiel auch Kolleginnen und Kollegen der anderen Teams zur Unterstützung gehabt. Wir haben also Mitarbeitende aus dem Housekeeping und Freiwillige aus dem Head Office so geschult, dass sie uns helfen konnten. Zu dieser Zeit lag das Schiff noch im Trockendock. Und wir haben wirklich alle verfügbaren Ressourcen genutzt, um unseren Zeitplan zu schaffen. 

Vielen Dank für die Einblicke in das Projekt.