28. Dezember 2020

Mit Optimismus startklar für 2021

Interview mit Fritz Joussen

Herr Joussen, die TUI ist von der Pandemie besonders stark betroffen – trotz der genehmigten Impfstoffe ist die Lage weiterhin sehr angespannt. Wo steht die TUI aktuell?

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Die ersten Impfungen und die Zulassung des BioNTech/Pfizer Präparats in der EU sind wichtige Meilensteine und geben Zuversicht. Wir sollten deshalb mit Optimismus in das Jahr 2021 starten. Aktuell haben viele Reisebeschränkungen weiter Bestand, darum sind wir ein Unternehmen ohne nennenswerten Umsatz. Deshalb war es richtig, dass wir rechtzeitig ein drittes Finanzpaket erarbeitet haben, gemeinsam mit den Aktionären, den Banken und dem Staat. Damit überbrücken wir diese Monate und sichern die Liquidität, wenn sich die Pandemie im neuen Jahr fortsetzt. Das Paket hilft, das Unternehmen durch die Krise zu steuern und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren: den Umbau einzelner Geschäftsfelder, die beschleunigte Digitalisierung und die bereits eingeleiteten Maßnahmen zu Kostensenkungen. Wir wollen nach der Pandemie schnell zurück in die Erfolgsspur. TUI war vor der Krise kerngesund. Rund eine Milliarde operatives Ergebnis, rund eine Milliarde Investitionen pro Jahr, 21 Millionen Kunden in 2019 und 14% Buchungsplus zum Jahresbeginn 2020. Gibt es wirklich viele Unternehmen und Branchen, die das vorweisen konnten? Der Markt war intakt und unser Geschäftsmodell war und ist zukunftsfest. Deshalb überwiegen bei mir Optimismus und Zuversicht.

Was unterscheidet das dritte Finanzierungspaket von den vorherigen?

Die Corona-Krise dauert weiter an, inzwischen deutlich länger als es zu Jahresbeginn jeder erwartet hatte. Das neue Finanzpaket sichert uns für den weiteren Verlauf der Pandemie ab. Wenn Maßnahmen wie die Kapitalerhöhung von unseren Aktionären genehmigt werden, verschieben sich nach Rückzahlung unserer ausstehenden Anleihe zunächst die Fälligkeiten der Kredite aus den ersten beiden Stabilisierungspaketen. Außerdem erhöht sich durch das zusätzliche Paket unser Verschuldungsgrad kaum. Ein zusätzlicher und wesentlicher Unterschied zu den anderen Finanzpaketen besteht in der breiten Unterstützung. Unsere großen Aktionäre, die Banken und der Staat haben es gemeinsam geschnürt. Das zeigt sehr deutlich das Vertrauen in unser Geschäftsmodell, die langfristigen Perspektiven für die TUI und den Tourismus als Wachstumssektor. Unser Geschäftsmodell ist moderner als der Begriff Pauschalreise vermuten lässt. Zudem ist TUI kein reiner Reiseveranstalter, der ausschließlich Reisen verkauft. Wir entwickeln, investieren und betreiben, sind selber Hotel- und Kreuzfahrt-Konzern mit erstklassigen Marken wie RIU, Robinson, TUI Blue oder Mein Schiff. Die Ferienhotels in erster Lage am Meer werden immer einen Wert haben. Wir können wie niemand anders neue Ziele erschließen, weil wir Hotels und Fluggesellschaften haben. So wurden zum Beispiel die Kapverden zum beliebten Urlaubsziel entwickelt, mit dem Bau der ersten RIU Hotels, Flügen unserer Fluggesellschaften und unserem starken Vertrieb in Deutschland und Europa.

Am 5. Januar findet eine außerordentliche Hauptversammlung statt – warum ist die notwendig?

Das Finanzpaket enthält Komponenten, die von der Hauptversammlung, also den Aktionärinnen und Aktionären, genehmigt werden müssen. Dazu gehört unter anderem die Kapitalerhöhung über rund 500 Millionen Euro. Diese stärkt unser Eigenkapital. Die Schulden erhöhen sich dadurch also nicht. Außerdem hat der Staat mit einer der beiden stillen Beteiligungen die Möglichkeit, diese in Aktien der TUI zu wandeln. Auch dazu möchten wir die Zustimmung unserer Anteilseigner einholen. Darum ist es wichtig, dass möglichst viele Aktionärinnen und Aktionäre am 5. Januar an der außerordentlichen Hauptversammlung teilnehmen und für das Paket stimmen. Die Versammlung findet übrigens virtuell statt. Die Anteilseigner haben nach vorheriger Anmeldung bis zum 29. Dezember von zuhause aus die Möglichkeit, die Hauptversammlung online zu verfolgen, und stimmen vorher digital oder per Briefwahl ab. Es ist wie für viele Firmen unsere erste virtuelle Hauptversammlung, aber wir bereiten sie intensiv vor, um auch in Zeiten der Pandemie transparent und im engen Dialog mit unseren Aktionärinnen und Aktionären gute Entscheidungen für die TUI zu erreichen.

Wie geht es danach weiter?

Wenn die Komponenten des Finanzpakets genehmigt worden sind, beginnt die Zeichnungsfrist für die neuen Aktien zur Umsetzung der Kapitalerhöhung. Die Aktionärinnen und Aktionäre haben dann die Möglichkeit, sich an der Kapitalerhöhung direkt zu beteiligen. Die Verfügbarkeit der neuen Finanzmittel ermöglicht die Rückzahlung der ausstehenden Anleihe und verschafft uns die Möglichkeit, die globale Neuausrichtung des Konzerns weiter voranzutreiben. Wir werden schlanker, schneller und effizienter. Die TUI wird auch konsequent den Weg der Digitalisierung fortsetzen. Und wir sind bereit für den Neustart, wenn die Reiseaktivitäten wieder aufgenommen werden.

Wie sehen die Aussichten für 2021 für den Tourismus und für die TUI aus?

Die Perspektiven für den Tourismus und für TUI sind sehr gut. Die Menschen wollen reisen, der Tourismus bleibt langfristig eine Wachstumsindustrie. Alle, auch die Investoren, sind sich darüber einig und die zugrundeliegenden Fakten stützen dies. Der Reisemarkt ist im vergangenen Jahrzehnt doppelt so stark gewachsen wie das Bruttosozialprodukt. Und diese Entwicklung wird sich mit einer Normalisierung der Lage nach der Pandemie fortsetzen. Die demografischen Daten sprechen dafür: die Menschen werden älter, sie sind gesünder, haben mehr Zeit und auch mehr verfügbares Einkommen. Aber auch junge Menschen stützten diesen Trend: persönliche und nachhaltige Erlebnisse ersetzen alte Statussymbole wie zum Beispiel das eigene Auto. „Erleben“ ist heute für die jungen Menschen wichtiger als „Besitzen“. Die Nachfrage nach Urlaubsreisen ist da – Kunden in allen Altersgruppen haben in einer repräsentativen Umfrage angegeben, dass Reisen für sie im Corona-Jahr zu den am stärksten vermissten Aktivitäten gehört. Das kommende Jahr wird noch ein Übergangsjahr, 2022 rechnen wir damit, dass unser Sektor und auch die TUI zu einem Niveau vor Corona zurückkehren. Die Pauschalreise wird dabei als sichere und verlässliche Reiseform eine wichtige Rolle spielen. Wie gesagt, der Name mag etwas altmodisch klingen, aber Sicherheit, Service und Komfort sind für Millionen Menschen und insbesondere Familie ein Wert, vor allem wenn es um den Jahresurlaub geht. Wir sind in einer ausgezeichneten Position, um nach der Pandemie wieder erfolgreich auf Kurs zu gehen.