50 Nationen in einem Boot

Rund 1.100 Menschen aus aller Welt sorgen auf der neuen Mein Schiff 1 für das Wohl der Gäste. Wie die Kreuzfahrt-Crew lebt und arbeitet.

„Was ist das Besondere an unserem Casino? Wo befindet sich die nächste Bar?“ Markus Zschiesche, Head of Food & Beverages von TUI Cruises, führt eine Gruppe von Crew-Mitgliedern durch die insgesamt 15 Bars der neuen Mein Schiff 1. Es laufen noch die letzten Arbeiten der Meyer Werft Turku vor der Übergabe des Kreuzfahrtschiffes an TUI Cruises, doch die Crew ist zum Teil bereits seit mehreren Wochen an Bord und bereitet sich vor. Bevor das am 11. Mai getaufte neue Flaggschiff der Hamburger Reederei zu seinen ersten Kreuzfahrten in See stach, standen für die Crew vielfältige Trainings auf dem Programm.

Zum Konzept gehört es bespielsweise, dass alle Crew-Mitglieder der Bar-Abteilung nicht nur ihren unmittelbaren Arbeitsbereich kennen, sondern auch alle Restaurants auf dem für 2.900 Gäste ausgerichteten jüngsten Mein Schiff-Neubau und dem bislang größten Schiff innerhalb der Kreuzfahrtflotte des TUI Konzerns. Außerdem ist die Bordsprache mit dem Gast Deutsch: „Es werden für alle Crewmitglieder, die im direkten Gästekontakt stehen, Deutschkurse angeboten“, erklärt Dr. Imke Moje, Fleet Organizational Development Manager von TUI Cruises. „Das wird von der Crew sehr gerne genutzt – bietet es doch auch gute Aufstiegschancen.“ Moje kümmert sich unter anderem um die übergreifende Personalentwicklung an Bord. „Die erforderlichen Deutschkenntnisse richten sich nach den Gästekontakten“, beschreibt sie. Jedes Crewmitglied muss aber mindestens in der Lage sein, an Deck den zumeist deutschsprachigen Passagieren zum Beispiel den Weg zur nächstgelegenen Toilette auf Deutsch weisen zu können.

Auf der neuen Mein Schiff 1 arbeiten rund 1.100 Menschen bei vier verschiedenen Arbeitgebern – so viele wie noch nie auf einem Schiff von TUI Cruises. Die Palette von rund  250 verschiedenen Berufen ist größer als in vielen Kleinstädten an Land. Allein in den Hotel- und Gastronomiebereichen gibt es Dutzende unterschiedlicher Tätigkeiten vom Spa-Manager über den Deck-Steward bis zum Chef de Cuisine. Hinzu kommen aber auch noch Krankenschwestern und Ärzte, Musiker, Wäschereimitarbeiter, Elektriker und IT-Fachleute. Auch ein Umweltoffizier, ein Media-Coordinator und ein Florist sind an Bord. Wie bei einer Art Mini-UN kommen die Crewmitglieder aus der ganzen Welt – aus Deutschland und von den Philippinen, aus China, Indien und der Türkei oder aus Nicaragua, Honduras und Tunesien. Sind in diesem multikulturellen Minikosmos Konflikte nicht vorprogrammiert? „Nein, zwischenmenschliche Probleme kommen sehr selten vor“, betont Tim Fremder, Mitte 20. Er ist einer von sechs Guides für Fahrradausflüge an den Zielen, die die Mein Schiff 1 ansteuert. Seit zwei Jahren fährt der junge Mann auf Schiffen von TUI Cruises zur See. An den Anlegestationen bietet sich auch für die Crew immer wieder die Gelegenheit zu Landausflügen. „Ich war schon in Asien, der Karibik und vielen europäischen Ländern“, sagt er. Die Welt zu sehen, ist für ihn einer der reizvollen Faktoren an der Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff, ebenso wie der Kontakt mit den Gästen und den Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern und Kulturen. „Viele hier haben die gleiche offene Lebenseinstellung“, beschreibt Fremder.

Imke Moje hat bislang noch nicht erlebt, dass es innerhalb der Crew der Flotte zu Auseinandersetzungen aus religiösen und politischen Gründen oder aufgrund sexueller Orientierung gekommen wäre. „Letztlich sind alle sprichwörtlich in einem Boot, das schweißt zusammen“, betont sie. Um ein harmonisches Zusammenleben zu organisieren, gilt es in diesem besonderen Arbeitsumfeld aber auch, einige Grundsätze zu beachten. „Es beginnt damit, dass die Arbeitgeber realistische Jobbeschreibungen haben“, erläutert Moje. Das Leben und Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff ist nicht für jeden gemacht: In aller Regel bleibt ein Crewmitgleid zwischen vier und neun Monaten an Bord. Gearbeitet wird in einer Sieben-Tage-Woche. „Besonders wichtig sind ein respektvoller Umgang und dass jeder verinnerlicht, dass alles auf dem Schiff zum Wohle der Gäste geschieht“, beschreibt Moje weiter. „Dabei betonen wir, dass jeder eine wichtige Rolle hat, ob er nun das Schiff steuert oder Fenster putzt.“

Nach getaner Arbeit steht den Mitarbeitern die so genannte Crew-Area in den Decks unterhalb der Gästebereiche zur Verfügung. Hier befinden sich die Crewkabinen. Bei  der neuen Mein Schiff 1 gibt es nur Zwei-Bett- oder Einzel-Kabinen. Die Unterbringung ist abhängig von der Position. In der Crew-Area sind aber längst nicht nur Schlafplätze untergebracht – sie bietet eine ähnliche Vielfalt an Freizeitmöglichkeiten wie den Gästen in den oberen Decks: Zum Ausgleich kann die Crew in einem eigenen Fitnessstudio trainieren, in der eigenen „One for all“-Disco tanzen oder im eigenen Coffee-Shop entspannen. Zu dem Rückzugsort gehören auch ein Sonnendeck und eine Messe, zu denen Gäste keinen Zutritt haben. „Attraktiv ist die Arbeit auf Kreuzfahrtschiffen auch wegen guter Karrieremöglichkeiten“, erläutert Moje. „Aufstiege gelingen oft wesentlich schneller als an Land.“ TUI Cruises wurde vor zehn Jahren gegründet. „Viele der heutigen Crewmitglieder sind schon von Anfang an dabei“, berichtet Moje. „Bei der neuen Mein Schiff 1 haben die Arbeitgeber circa 80 Prozent Wiederkehrer, die bereits auf anderen unserer Schiffe gearbeitet haben.“ Einmal Kreuzfahrt – immer Kreuzfahrt: Auf den Meeren unterwegs zu sein, kann nicht nur die Gäste süchtig machen, sondern auch die, die zu ihrem Wohl vor und hinter den Kulissen tätig sind.